Die Geschichte der deutschen Siedler im Süd-Kaukasus bis 1941

Unsere Evangelisch-Lutherische Kirche in Georgien (ELKG) hat ihre Wurzeln in der vor allem von Württemberg ausgegangenen Auswanderung in den Jahren 1817/18. Politische, wirtschaftliche und nicht zuletzt religiöse Gründe – die Erwartung der Wiederkunft Christi für 1836 – hatten mehrere hundert Familien dem Ruf des Zaren Alexander I. Folge leisten lassen. Sieben sogenannte Kolonien auf dem Land und ein Vorort von Tbilisi, Neu-Tiflis, wurden von ihnen gegründet, später kamen noch andere Siedlungen hinzu. Der sprichwörtliche Schwabenfleiß schuf, trotz mancher Rückschläge durch Epidemien, persische und tatarische Überfälle oder Missernten, im Laufe der Jahrzehnte ein blühendes Gemeindeleben und Wohlstand für alle, beispielhaft für das ganze Land. Zu Beginn der Dreißigerjahre des 20. Jahrhunderts lebten etwa 50.000 Deutschstämmige in Südkaukasien, die Mehrheit davon in Georgien.

Die kommunistische Ideologie und der stalinistische Terror machten dem nach der Kriegserklärung Hitler-Deutschlands an die Sowjetunion ein Ende. Ein Erlass des Obersten Sowjet vom 28.8.1941 hatte zunächst vor allem die Deportation der Deutschen aus dem Wolgagebiet zur Folge. Am 8.10.1941 veröffentlichte das Staatliche Verteidigungskomitee der Sowjetunion die zusätzliche Verordnung ’Über die Aussiedlung der Deutschen, die das Gebiet der Georgischen, Armenischen und Aserbaidschanischen Sowjetrepubliken bewohnen’. Der Hauptteil der Deutschen aus Georgien und Aserbaidschan – insgesamt handelte es sich um mehr als 45.000 Personen – wurde zwischen dem 15.10. und 12.11.1941 deportiert; im Laufe des Jahres 1942 kamen weitere Transporte hinzu. Wir lesen die trockenen Zahlen der Statistik und ahnen nur das unsagbare Leid jedes einzelnen menschlichen Schicksals, das dahinter steht.

Vielerorts waren die Gottesdienste und kirchlichen Versammlungen schon viel früher verboten worden. So etwa in Tbilisi bereits 1931, zusammen mit der Verhaftung von Oberpastor Richard Mayer, der 1933 in Moskau ermordet wurde. Wie ihm ging es der großen Mehrheit der lutherischen Geistlichen und darüber hinaus den Mitgliedern der Gemeinderäte. Hier soll auch daran erinnert werden, dass die Kirchengebäude ein Opfer der kommunistischen Zerstörungswut wurden. Wir denken vor allem an die Kirchen in den sieben schwäbischen Ur-Kolonien und an diejenige in Neu-Tiflis, die alle unter großen Opfern an Geld und Arbeitskraft von den Gemeinden errichtet worden waren: an die Peter-und-Paul-Kirche in Tbilisi, die 1946 von deutschen Kriegsgefangenen abgerissen werden musste, an den einzigartigen ‚Dom’ in Katharinenfeld/Bolnisi, der in ein Sportinstitut umgebaut wurde; an die Kirche in Elisabetthal, aus der man ein Kino machte und die heute wieder renoviert wurde; an die kleinen Dorfkirchen und Bethäuser von Marienfeld/Sartitschala, Petersdorf (am Iori) und Alexandersdorf/Didube, von denen kein Stein mehr auf dem anderen steht. Die Kirchen in Helenendorf/Chanlar und Annenfeld/Samchor (beide Aserbaidschan) stehen zwar noch, haben jedoch eine neue Verwendung gefunden.

Neubeginn seit 1991

Erst 1991, in der Ära der Perestroika unter M. Gorbatschow, durften sich die wenigen Überlebenden der deutschstämmigen Bevölkerung wieder versammeln. Bald erwachte auch das Bedürfnis zur Erneuerung eines lutherischen Gemeindelebens unter ihnen. Aus kleinen Anfängen wuchsen – und wachsen immer noch – die lutherischen Gemeinden, zuerst in Tbilisi durch die Versammlungen der Adventistenprediger Johann und Alexander Dreiling, Vater und Sohn, dann durch die Pastoren Harry Asikow, Martin Roser und Bischof Dr. Gert Hummel. Im Lauf der Zeit kamen weitere Gemeinden dazu. Am 3. Juli 1999 fand die Erste Regionale Synode der ELKG statt, auf der die Verfassung und eine Ordnung für ihre Gemeinden angenommen wurde. Heute hat unsere Kirche circa 800 Mitglieder.

Von 1995 – 1997 wurde in Tbilisi auf dem ehemaligen deutschen Friedhof die Versöhnungskirche mit Gemeindezentrum und Pfarrhaus gebaut. 1998/1999 entstand in der zweitgrößten Gemeinde Rustawi die Friedenskirche (Gemeindehaus). Ebenfalls 1999 übernahm die Gemeinde Bolnisi (ehemals schwäbische Kolonie Katharinenfeld) das ‚Haus der Deutschen Kultur’; seit 2007 finden Gottesdienste und andere Veranstaltungen im eigenen Gemeindehaus statt. Seit Ende 2000 hat auch die Gemeinde in Gardabani ein gemietetes eigenes Haus für ihre Gottesdienste. 2003 entstand auch in Bordjomi eine kleine Gemeinde, die sich im Haus der Gemeindeleiterin versammelt.

Die Gemeinde in Suchumi (Abchasien) ist seit Sommer 2000 im Haus der ‚Deutschen Gesellschaft’ zu Gottesdiensten zusammen gekommen. Am 8.12.2002 konnte sie in die renovierte alte lutherische Kirche umziehen.

Auf Grund der katastrophalen wirtschaftlichen Situation in Georgien ist die diakonische Arbeit ein wichtiger Faktor der kirchlichen Tätigkeit. Im März 1999 wurde deshalb das ‚Evangelisch-Lutherische Diakonische Werk in Georgien’ gegründet, das zuerst eine freiwillige Nachbarschaftshilfe in den o.g. Gemeinden aufbaute.

Am 1.1.2000 übernahm das Diakonische Werk die mit Mitteln des Innenministeriums der BRD geschaffene ‚Sozialstation’ in der Tschcheidzestr. 9, jetzt ‚Pastor-Richard-Mayer-Haus’, da sie nur für ein knappes Kalenderjahr von Deutschland versorgt wurde. Heute befindet sich die Sozialstation in der Wohnung der Assoziation der Deutschen in Georgien "Einung" im Zentrum von Tbilisi. Dort erhalten täglich 40 Menschen eine warme Mahlzeit. Drei Personen sind dort angestellt.

Seit dem 8.7.2000 besteht neben der Versöhnungskirche in Tbilisi die von 1998-2000 erbaute zweite Diakoniestation, das ‚Johann-Bernhard-Saltet-Haus’. Hier erhalten täglich 60 Menschen ein Essen und ärztliche Versorgung, außerdem besteht ein Altersheim mit zwölf Plätzen. 14 Personen haben in diesem Diakoniezentrum Arbeit gefunden.

Stichworte zur Geschichte

1817: Hungerjahr in Schwaben und Ausreise der ersten Siedlergruppen

1818: Gründung der ersten Siedlergemeinden Katharinenfeld und Elisabeththal in Georgien

© Evangelisch-Lutherische Kirche in Georgien und dem Südlichen Kaukasus

Terenti Graneli 15, 0102 Tbilisi